Klaschische Musik in Zeiten der Kreise

Crescendo - Das Klassikmagazin, by Th. Mavropoulos
01 February 2014

Crescendo Das Klassikmagazin – Interview “Wir brauchen die Musik”

“Wir brauchen die Musik” – Klaschische Musik in Zeiten der Kreise

von Theodora Mavropoulos

»Davon kann man kein Orchester mehr be-zahlen«, sagt Posaunist Kostas Avgerinos. Der Mitvierziger spielt seit über 20 Jahren im Staatsorchester Athen. Wie viele ande-re befindet sich auch dieses Ensemble am Rande der Existenz. Vor fünf Jahren hatte das Orchester noch gut eine Million Euro an staatlicher Unterstützung pro Jahr zur Ver-fügung, mittlerweile beträgt das jährliche Budget nur noch 6500 Euro. »Mein Gehalt wurde bis heute um fast die Hälfte gekürzt«, berichtet Avgerinos. »Außerdem herrscht ständig die Unsicherheit, dass das Orchester gänzlich geschlossen wird und wir Musiker unseren Arbeitsplatz verlieren«, so der Fa-milienvater.

Tenor Christos Kechris bei dem Proben zu Mozarts "Don Giovanni" zusammen mit Sofia Kianidou (Sopran) und Alexandros Efklidis (Dirigent)

Tenor Christos Kechris bei dem Proben zu Mozarts “Don Giovanni” zusammen mit Sofia Kianidou (Sopran) und Alexandros Efklidis (Dirigent)

Griechenland befindet sich im siebten Jahr der Rezession. Die Sparmaßnamen im Lan-de haben auch die Musikszene hart getrof-fen: Staatliche Budgets für Musikhäuser, Orchester und Konservatorien wurden seit 2010 um über die Hälfte (52%) gekürzt. Im Juni 2013 löste Ministerpräsident Antonis Samaras die staatliche Rundfunkanstalt ERT auf und damit auch ihr Orchester. Dennoch gibt die Musikszene Griechen-lands nicht auf: Und so spielt auch Kostas Avgerinos im Orchester »Recht auf Musik« mit, das seit Oktober 2013 quer durch Grie-chenland zieht, um an Musikgymnasien zu spielen. »Wir wollen den Schülerinnen und Schülern Mut machen, an ihrer Lei-denschaft festzuhalten und uns mit ihnen austauschen,,, sagt der Posaunist. Doch für eine Zukunft als Musiker sieht es in Griechenland momentan schlecht aus. Auch der Tenor Christos Kechris sieht wenig Chancen, in seiner Heimat beruflich Fuß zu fassen: »Es gibt generell viel zu wenige Konzerthäuser und Orchester — das wird in Zeiten wie diesen natürlich nicht besser«, bedauert der 31-jährige. Seinen Abschluss am staatlichen Konser-vatorium Athen machte Kechris vor fünf Jahren. Seitdem bekommt er immer wieder Engagements, doch mittlerweile meistens im Ausland. In Griechenland werde man so schlecht bezahlt, davon könne man kaum leben, sagt er. Doch es gibt auch Projekte, die Hoffnung wecken. So etwa die »Oper im Koffer«, bei der auch Kechris mitsingt. Sie wurde vor gut zwei Jahren von Myron Michailidis, dem Intendanten der National-oper Athens, ins Leben gerufen.

Die »Oper im Koffer« kann dem schwierigen Alltag ein wenig Glanz verleihen

Umsonst und an öffentlichen Plätzen, etwa in Bibliotheken oder in kleinen Stadtthe-atern, werden bekannte Opern in leicht gekürzter Fassung aufgeführt. Zur Zeit wird Mozarts Don Giovanni gegeben. »In Mozarts Kompositionen und insbesondere in seinen Opern findet ein großartiges Zu-sammenspiel von dramatischen Elemen-ten und Humor statt«, so Kechris. Mozart kommentiere durch die Oper Themen wie Betrug, Verbrechen und Tod — aber eben auf eine komödiantische Art und Weise. »Diese Themen sind im heutigen Griechenland to-tal aktuell. Und das Komödiantische ist eine gute Möglichkeit, um zwar die Probleme aufzuzeigen, trotzdem aber auch unseren Optimismus vermitteln zu können.« Oper bedeute ein bisschen Glanz im oft schwierigen Alltag und das sei besonders in Krisenzeiten wichtig, ist sich Intendant Michailidis sicher. Im Jahr 2011 übernahm er die Nationaloper mit Schulden von ca. 17 Millionen Euro und schraubte diese bis heu-te auf knapp fünf Millionen Euro herunter. Zwar wurde ihm in dieser Periode die Finan-zierung des Hauses um nahezu die Hälfte gekürzt. Trotzdem schaffte es Michailidis, die Produktionen fast zu verdoppeln.

Mit einem guten Konzept lässt sich sogar ein Sponsor finden

Zum Beispiel indem er dafür sorgte, dass Requisiten und Kostüme umgestaltet und mehrfach verwendet werden — ganz nach seinem Motto: Produktionen müssen nicht teuer, sondern gut sein. Damit überzeugt er auch private Finanziers: Ein Sponsor hat sich gefunden, der die »Oper im Koffer« fi-nanziert. Nach den Stationen in Athen tourt die Truppe durch ganz Griechenland. »Wir brauchen die Musik, weil sie nicht einfach zur bloßen Unterhaltung dient. Die Musik in Krisenzeiten ermöglicht eine kurze Aus-zeit vom meist schwierigen Alltag,« sagt Michailidis. So können die Menschen wie-der auftanken.

Source: Crescendo – Das Klassikmagazin

01/02/2014